Potenziale einer kombinierten Behandlung und Prävention von Depressionen und Diabetes
Meta-Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass depressive Menschen ein erhöhtes Diabetesrisiko haben. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, bei Diabetikern etwa doppelt so hoch wie bei gesunden Menschen. Die Forscher vermuten, dass Depressionen einen Einfluss auf den gesamten Krankheitsverlauf einer Diabeteserkrankung haben, also auch das Risiko für eine Insulinresistenz als Diabetes-Vorstufe erhöhen. Ein solcher Zusammenhang ist durch wissenschaftliche Studien jedoch weniger belegt. Ein Review-Artikel fasst den Stand der Forschung zusammen.
Während in Kohortenstudien häufig kein Zusammenhang festgestellt werden konnte, zeigen Querschnittsstudien im Allgemeinen positive Zusammenhänge zwischen Depressionen und einer Insulinresistenz. Interventionsstudien zeigen, dass durch die Behandlung einer Depression mit Antidepressiva nicht nur die Symptome der Depression vermindert, sondern auch die Insulinresistenz verbessert werden kann. Änderungen der Lebensgewohnheiten führten sowohl zu verminderten Depressionssymptomen als auch einer verbesserten Insulinresistenz. Alles in Allem verstärken sich die Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Depressionen und einer Insulinresistenz.
Welche biologischen Mechanismen könnten ursächlich dafür sein? Depressive Störungen oder Angststörungen werden mit Fettstoffwechselstörungen, erhöhter Aktivität des sympathischen Nervensystems (SNS) und erhöhten Konzentrationen von Entzündungsmolekülen in Verbindung gebracht. Eine Hyperaktivität des SNS erhöht u.a. die Konzentrationen an Katecholaminen und freien Fettsäuren im Blut. Insgesamt können durch diese Veränderungen Gewebe und Organe, die an der Regulation des Blutglukosespiegels beteiligt sind, negativ beeinflusst werden, was in der Folge eine Diabeteserkrankung begünstigt. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), häufig eingesetzte Antidepressiva, unterdrücken die sympathische Nervenaktivität und führen zu einer Verringerung von Entzündungsmarkern, so dass sie einen Teil dieser negativen biologischen Prozesse verlangsamen könnten. Tierversuche zeigen zudem, dass SSRIs die Insulinsensitivität erhöhen.
Neben den biologischen Mechanismen gibt es auch verhaltensabhängige Mechanismen. So sind Personen mit einer Depression eher übergewichtig, bewegen sich weniger, rauchen und trinken häufiger gesüßte und alkoholische Getränke. Dies alles sind Faktoren, die auch eine Insulinresistenz begünstigen.
Für depressive Personen ist es zwar oft besonders schwer, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Durch einen gesunden Lebensstil kann die Entwicklung von Depressionen aber positiv beeinflusst und depressive Symptome verringert werden. Gleichzeitig kann damit auch die Regulation des Blutzuckerspiegels verbessert werden.
Insgesamt deuten die vorhandenen Ergebnisse darauf hin, dass theoretisch viele Diabetesfälle durch eine effektive Behandlung von Depressionen, die auch eine Änderung der Lebensgewohnheiten mit einschließt, vermieden werden könnten. Unter der Voraussetzung weiterer Studien könnten die Erkenntnisse zu neuen multidisziplinären Herangehensweisen in der Diabetesprävention führen.