Neurologische Störungen bei Zöliakie und Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität
Unter glutenbedingten Störungen (gluten related disorder (GRD)) fassen Wissenschaftler diverse klinische Symptome zusammen, die sich auf den Verzehr von Gluten zurückführen lassen. Neben der Zöliakie, die mit einer Enteropathie einhergeht, zählen u. a. die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (non-coeliac gluten sensitivity (NCGS)) oder die Nervenstörung Gluten-Ataxie dazu. Jedoch ist nur bei einer Zöliakie auch primär der Darm betroffen. Bei anderen glutenbedingten Störungen können die Symptome vielfältiger sein. Wissenschaftler arbeiten daher daran, Marker zur Diagnose von gluten-bedingten Störungen zu finden. Für eine Zöliakie ist dieser im TG2-Antikörper bereits gefunden. Bei Gluten-Ataxie wiesen Forscher die im Gehirn aktivierten TG6-Antikörper nach. Weitere Marker könnten die vielzähligen „Human Leukocyte Antigens“ (HLA) sein. Sie sind zentral für die Funktion des Immunsystems zuständig. Es ist jedoch ebenfalls bekannt, dass der jeweils vorhandene HLA-Typ die Entstehung von Krankheiten, insbesondere von Autoimmunerkrankungen, beeinflussen kann. So lässt sich bei über 95 Prozent der Zöliakie-Patienten das HLA-DQ2 nachweisen.
In einer retrospektiven Studie gingen britische Forscher nun der Frage nach, inwiefern sich eine glutenbedingte Störung neurologisch manifestiert und ob sich bezüglich dieser Erkrankungen ein Unterschied zwischen einer Zöliakie und einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität zeigt. Über einen Zeitraum von 20 Jahren (1994 – 2014) wurden 562 Probanden mit nachweisbar glutenbedingten neurologischen Erkrankungen untersucht. Es wurden Messungen zu Antikörpern sowie Biopsien zum Enteropathie-Nachweis durchgeführt. Allen Patienten empfahl man nach Diagnose einer gluten-bedingten Störung eine glutenfreie Diät. Die Probanden wurden anhand des Enteropathie-Kriteriums in zwei Gruppen eingeteilt. 228 Patienten gehörten zur Gruppe 1 mit Zöliakie, 334 hatten eine Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (Gruppe 2). Bei 94 Prozent der Zöliakie-Patienten wurde der HLA-Typ DQ2 gemessen. Die Verteilung des HLA-Typs bei den Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität-Patienten fiel nicht so einseitig aus (44 Prozent HLA-DQ2, 18 Prozent HLA-DQ8). Der Anteil an nachgewiesenen TG6-Antikörper unterschied sich zwischen den zwei Gruppen nicht signifikant. Anders bei den TG2-Antikörpern. Diese waren bei 91 Prozent der Zöliakie-Patienten und lediglich bei 29 Prozent der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität-Patienten vorhanden. Bei beiden Gruppen waren Ataxie, Neuropathie und Enzephalopathie die häufigsten neurologischen Erkrankungen. Es zeigte sich im Vergleich beider Gruppen, dass eine Enzephalopathie vermehrt mit einer Zöliakie assoziiert war, während eine Neuropathie häufiger bei einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität auftrat. In der ebenfalls untersuchten Schwere der Symptome fand sich kein signifikanter Unterschied. In beiden Gruppen zeigte sich allgemein eine Verbesserung der Erkrankungen unter einer glutenfreien Diät.
Anhand der Studienergebnisse belegen die Forscher, dass auch Patienten mit einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität neurologische Erkrankungen entwickeln. Diese ähneln in den auftretenden Krankheitsbildern wie auch in der Schwere der Symptome den Befunden einer Zöliakie. Aufgrund des unterschiedlichen Vorkommens der HLA-Typen bei einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität vermuten die Forscher, dass die auslösende Immunantwort möglicherweise nicht mit dem für Zöliakie typischen HLA-DQ2 zusammenhängt. Da TG6-Antikörper in beiden Gruppen vorkam, sehen die Wissenschaftler diese als mögliche Auslöser neurologischer Störungen. Sie empfehlen daher, das ganze Spektrum der glutenbedingten Störungen inklusive der immunologischen Reaktionen in Folgestudien weiter zu untersuchen. Darüber hinaus sprechen sie sich bei neurologischen Störungen für einen umfassenden Test auf TG2- und TG6-Antikörper aus. Mit deren Nachweis könnten sich auch bei Patienten ohne Enteropathie die Symptome durch eine glutenfreie Diät mildern lassen.