Infektionen in der frühen Kindheit erhöhen das Zöliakie-Risiko

Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern leiden laut offiziellen Diagnosen derweil an Zöliakie. Die Gründe für die Krankheitsentstehung sind vielfältig: neben genetischen Prädispositionen zählen auch Umwelteinflüsse zu den Risikofaktoren.

Norwegische Wissenschaftler untersuchten nun, ob Infektionen der frühen Kindheit das Zöliakie-Risiko aktiv beeinflussen. Bereits im Vorfeld vermuteten die Wissenschaftler hierbei einen Zusammenhang, da Virusinfektionen einen Anstieg an proinflammatorischen Interferonen und an der Gewebetransglutaminase induzieren. Die Gewebetransglutaminase ist ein Enzym, welches die Immunogenität gegenüber Gluten erhöhen kann.

Im Rahmen der Studie wurden ca. 73.000 Kinder, die zwischen 2000 und 2009 in Norwegen geboren wurden, hinsichtlich der Ausgangsvermutung genauer untersucht. Die Beobachtungszeit betrug im Mittel 8,5 Jahre. Knapp ein Prozent der Teilnehmer (581 Kinder) entwickelte hierbei nachweislich Zöliakie. Daten zu den Infektionen der Kinder, die im Alter von bis zu 18 Monaten auftraten, wurden anhand von Fragebögen erfasst.

Das Ergebnis zeigte, dass gehäufte Infektionskrankheiten mit einem Zöliakie-Risiko einhergingen. Kinder, die an mehr als zehn Infektionen in ihrer frühen Kindheit litten, wiesen im Vergleich zu Kindern mit weniger als vier Infektionen ein um mehr als 30 Prozent erhöhtes Zöliakie-Risiko auf.

Anschließend wurden die Daten hinsichtlich ihrer Ursprungsquelle analysiert, ob spezifische Erkrankungen im Alter zwischen 6 und 18 Monaten das Zöliakie-Risiko im Besonderen beeinflussten. Wiederholte Infektionen der unteren Atemwege stellten daraufhin ein erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zu Magen-Darm-Infektionen und Erkrankungen der oberen Atemwege dar. Dieser Zusammenhang war unabhängig von der genetischen Prädisposition und anderen Einflussfaktoren, wie dem Gewicht des Kindes bei der Geburt, der Ernährungsgewohnheit, eine Antibiotikabehandlung oder das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft.

Ein ähnliches Bild spiegelte sich bei den Neugeborenen im Alter von bis zu sechs Monaten wieder. Erkrankten die Kinder in diesem Alter an vielen Magen-Darm-Infektionen, war das Zöliakie-Risiko jedoch noch etwas höher als bei den Kindern, die im Alter zwischen 6 und 18 Monaten an Infektionen litten.

Auch der Schweregrad der Atemwegsinfektionen erhöhte das Zöliakie-Risiko. Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen Infektionen der Atemwege, die einen Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt erforderlich machten und der Entwicklung von Zöliakie. Bei dem Schweregrad von Magen-Darm-Infektionen konnte hingegen kein statistisch signifikanter Zusammenhang belegt werden.

Die Wissenschaftler vermuten weiterhin vielfältige Gründe für das erhöhte Zöliakie-Risiko. Im gesamten Kontext betrachtet lässt sich das Ergebnis jedoch noch nicht als finaler Erklärungsansatz für die Zöliakie-Entstehung interpretieren. Die Forscher betonen, dass häufig an Infektionen erkrankte Kinder ohnehin häufiger ärztlich untersucht würden, als Gesunde. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit einer Zöliakie-Diagnose auch höher. Darüber hinaus könne eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Infektionen bei Kindern mit Zöliakie angenommen werden. Dass eine höhere Anzahl an Infektionen in der frühen Kindheit das Immunsystem beeinflusst und so möglicherweise die Entstehung einer Zöliakie begünstigt, sei dennoch nicht ausgeschlossen.

 

Quelle:
Karl Mårild et al.: Infections and Risk of Celiac Disease in Childhood: A Prospective Nationwide Cohort Study, American Journal of Gastroenterology, Oktober 2015, Volum 110, pp: 1475-1484, doi:10.1038/ajg.2015.287