Präbiotika: Schutz vor Allergien schon im Mutterleib?
In den Industrieländern haben ungefähr acht Prozent der Kinder und zwei Prozent der Erwachsenen eine Allergie gegen Lebensmittel. Weizen zählt zu den acht häufigsten Lebensmitteln, die während der Kindheit Allergien hervorrufen können. Meistens treten Lebensmittelallergien in den ersten zwei Lebensjahren auf. Die erste Zeit nach der Geburt ist ein wichtiger Abschnitt im Leben eines Kindes, in dem das Immunsystem, die Integrität der Darmbarriere, die Darmflora sowie die orale Toleranz aufgebaut werden.
In der aktuellen Studie wurde untersucht, ob Präbiotika vor der Entstehung von Allergien und der Schwere von Allergien schützen könnten. Präbiotika sind Ballaststoffe wie Inulin und Galactooligosaccharide (GOS), die mit der Darmflora interagieren und dadurch auch das Reifen des Immunsystems beeinflussen. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Präbiotika das Immunsystem direkt und indirekt durch die Veränderung der Komposition der Darmflora beeinflussen können. Die Mechanismen sind bisher jedoch nur wenig erforscht.
Um die mögliche Schutzwirkung von Präbiotika auf die Entstehung von Allergien zu untersuchen, wurden in der aktuellen Studie Experimente mit trächtigen Mäusen durchgeführt, welche zunächst in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe der Mäuse wurde während der Trächtigkeit und Säugezeit mit Standardnahrung gefüttert. Die zweite Gruppe erhielt die gleiche Nahrung, die jedoch mit den präbiotischen Stoffen Inulin und GOS ergänzt wurde. Die experimentellen Analysen wurden mit den Nachkommen durchgeführt. Diese wurden sechs Wochen nach der Geburt mit dem allergenen Weizenbestandteil Gliadin sensibilisiert. Acht Tage nach der Sensibilisierung sollte durch die erneute Gabe von Gliadin eine allergische Reaktion ausgelöst werden. In der folgenden Untersuchung wurden nur Mäusejunge berücksichtigt, die eine allergische Reaktion zeigten.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler dokumentieren, dass die Ballaststoffe die Zusammensetzung der Darmflora tatsächlich beeinflusst haben. Der Schweregrad der Allergie und die allergische Entzündungsantwort der Mäusejungen wurden durch die Präbiotika gemildert. Die Tiere mit einer allergischen Reaktion deren Mütter mit der Standardnahrung gefüttert wurden, hatten signifikant stärker erhöhte Körpertemperaturen und signifikant höhere Histamin- und weizenspezifische IgE-, IgA- und IgG-Spiegel im Serum im Vergleich zu den Tieren, deren Mütter Präbiotika erhielten.
Außerdem zeigte sich, dass Präbiotika das Immunsystem regulieren können. Bei den Tieren der Präbiotika-Gruppe war der Spiegel an Interleukin 4 und Interleukin 5 im Vergleich zu der Gruppe, deren Mütter mit Standardnahrung ernährt worden war, signifikant geringer. Zusätzlich war die Zahl an Treg-Zellen in der Präbiotika-Gruppe signifikant höher als in der Gruppe mit dem Standardfutter. Es lagen signifikant mehr Treg-Zellen bei den Nachkommen mit einer Allergie vor, wenn die Mütter mit den präbiotischen Zusätzen ernährt wurden. Treg-Zellen sind Zellen des Immunsystems, bei denen ein Zusammenhang zum Allergierisiko vermutet wird. So soll eine niedrige Anzahl der Treg-Zellen mit einem erhöhten Risiko einhergehen.
Die Darmbarriere der Mäusejungen scheint durch die präbiotischen Zusätze in der Nahrung der Mütter gestärkt worden zu sein. Denn bei ihnen war die Zahl an Mucoproteine signifikant höher, im Vergleich zu den Nachkommen aus der Standardnahrungsgruppe. Mucoproteine sind ein Bestandteil der Darmschleimhaut und tragen zur Integrität der Darmbarriere bei.
Noch sehen die Wissenschaftler ihre Vermutung, dass präbiotische Zusätze vor der Entstehung von Allergien schützen könnten, nicht als bewiesen an. Auch wenn die Studie Hinweise liefert, dass Präbiotika die Ausmaße einer Allergie mildern können, sind weitere Untersuchungen notwendig. Mit Hilfe dieser sollen die Schutzmechanismen der Präbiotika genauer charakterisiert werden, um festzustellen, ob eine direkte Wirkung auf das Immunsystem oder diese über die Modulation der Darmflora erfolgt. Im nächsten Jahr ist dazu eine große Studie mit 500 bis 1000 schwangeren Frauen und ihren Babys geplant.
Quelle:
G. Bouchard et al.: Maternal exposure to GOS/inulin mixture prevents food allergies and promotes tolerance in offspring in mice, September 2015, European Journal of Allergy an Clinical Immunology, doi: 10.1111/all.12777