Allergie ist nicht gleich Allergie

Manche Menschen reagieren allergisch auf Milch, andere auf Nüsse, wieder andere gleich auf mehrere Lebensmittel. Die Symptome reichen von Atembeschwerden, Hautausschlägen über Schwellungen von Lippe und Zunge bis hin zu Magen-Darm-Beschwerden. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind ebenso vielfältig und bisher nicht gänzlich erforscht. Ein aktueller Review-Artikel fasst den heutigen Kenntnisstand zusammen.

Lebensmittelallergien können grob eingeteilt werden in:

·         IgE-vermittelter Soforttyp

·         Zell-vermittelter verzögerter Typ

·         gemischter Typ

Die Mechanismen beim Sofort-Typ sind recht gut erforscht. Bei einem ersten Kontakt mit dem Antigen werden IgE-Antikörper gebildet, die an Mastzellen binden. Bei einem zweiten Kontakt mit dem Antigen binden diese sofort an die Antikörper, woraufhin die Mastzellen Histamin und andere Substanzen freisetzen, die für die verschiedenen Symptome wie Nesselsucht, Atem- und Magen-Darm-Beschwerden verantwortlich sind und bis zu einem anaphylaktischen Schock führen können. Der verzögerte Typ dagegen wird bisher kaum verstanden. Man vermutet, dass Antigen-spezifische aktivierte T-Helfer-Zellen hier eine wichtige Rolle spielen.

Verschiedene Zwischenformen, bei denen sowohl IgE und nicht-IgE vermittelte Mechanismen vorhanden sind, machen Lebensmittelallergien zu einem sehr großen, komplexen Forschungsgebiet. Zu den Zwischenformen werden beispielsweise Neurodermitis und eosinophile entzündliche Erkrankungen der Speiseröhre und des Magen-Darm-Traktes gezählt, weil sie häufig mit einer Lebensmittelallergie einhergehen.

Eine Kuhmilch-Eiweißallergie ist ein gutes Beispiel für die verschiedenen Formen einer Allergie. Besonders Kinder sind von dieser Allergie betroffen, mit einer Prävalenz von 1,9 bis 2,8 %. In der Melbourne-Milk-Allergy-Study (MMAS) konnte aufgrund der Art und des Zeitpunktes der auftretenden Symptome eine Einteilung in drei Gruppen erfolgen. Gruppe 1 reagierte sofort mit akuten Hautausschlägen, Schwellungen im Gesicht und Nesselsucht. Das Level an Kuhmilch-spezifischen IgE-Antikörpern war hoch. Gruppe 2 entwickelte vor allem gastrointestinale Symptome innerhalb von 1 bis 24 Stunden. Hier wurden keine Antikörper nachgewiesen. Gruppe 3 reagierte erst 24 Stunden bis 5 Tage nach Beginn des Tests. Symptome waren Neurodermitis, Husten und Durchfall. Die Konzentration an IgE-Antikörpern war unterschiedlich hoch.

Eine Kuhmilch-Eiweißallergie in der frühen Kindheit verschwindet normalerweise im Alter von 12 bis 24 Monaten. Die Art der Allergie scheint hier einen Einfluss zu haben. Wenn sie nicht IgE-vermittelt ist, ist sie nur von kurzer Dauer. In einer Dänischen Kohortenstudie mit 1.700 Kindern bildete sich eine nicht IgE-vermittelte Allergie in fast allen Fällen bis zum Alter von einem Jahr zurück, während eine IgE-vermittelte Allergie, bei einem von fünf Kindern über das Alter von drei Jahren hinaus bestehen blieb.

Gerade bei kleinen Kindern sind verzögerte, nicht-IgE-vermittelte Lebensmittelallergien offenbar von Bedeutung. So wurde neben Neurodermitis und Reflux-Störungen auch das nicht ergründbare Schreien mancher Kinder mit einer Lebensmittel-Hypersensititvität in Verbindung gebracht. In einer prospektiven Studie, in der sich eine Gruppe von stillenden Müttern allergenarm (Ausschluss von Milch, Eiern, Erdnüssen etc.) und eine Gruppe normal ernährte, nahm das Schreiverhalten der Kinder in der ersten Gruppe um 37 % ab.

Lebensmittelallergien sind unglaublich vielfältig in Hinblick auf die Symptome, die pathophysiologischen Mechanismen und die Art der Lebensmittel, die nicht vertragen werden. Wichtige Bausteine einer Diagnose sind das Erfassen der Krankheitsgeschichte und die Messung und Bewertung klinischer Parameter (Skin Prick Test, IgE-Konzentration) sowie das Wohlbefinden durch Ausschluss des Lebensmittels vom Ernährungsplan.

Quelle: Ho MH et al.: Clinical Spectrum of Food Allergies: a Comprehensive Review. Clin Rev Allergy Immunol. 2012 Nov 16. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23229594)